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200 Jahre Schifffahrt auf dem Bodensee: mit Dampf und Diesel

DIE ANFÄNGE

Akteure und Aktionen

1817 gründete der Unternehmer und Abenteurer J.C. Bodmer in Konstanz ein Unternehmen auf Aktien zum Bau und Betrieb eines Dampfschiffs. Er scheiterte finanziell, bevor das Schiff fertig wurde und floh vor seinen Gläubigern ins ausländische Königreich Württemberg. 1822 schrieb der US-Konsul Edward Church in Bordeaux einen Brief an die Schweizer Bundesregierung und setzte sich für den Bau von Dampfschiffen in der Schweiz ein. 1824 gründete König Wilhelm I. von Württemberg Die Dampfschifffahrtsgesellschaft in Friedrichshafen. Zur selben Zeit startete Der Verleger Cotta aus Stuttgart ein Schiffbau-Unternehmen in Lindau, das aber am Widerstand der örtlichen Schiffergilden scheiterte. 1824 wird das erste einsatzfähige Passagierschiff auf dem See, die WILHELM in Friedrichshafen in Dienst gestellt.

WILHELM-1824-vor-Friedrichshafen.jpg

Die "Wilhelm" - das erste Dampfschiff auf dem Bodensee. 1824 vor Friedrichshafen. (Quelle: de.wikipedia.org, Gemälde von Eberhard Emminger um 1825; Licence: gemeinfrei)

1830 riefen David Macaire d‘Hoguer aus Konstanz zusammen mit Caspar v. Vanotti aus Ludwigshafen in einer öffentlichen Einladung zur Gründung des Badischen Unternehmens Dampfschifffahrtsgesellschaft für den Bodensee und Rhein in Konstanz auf. Der Rhein reichte für die Gründer bis Schaffhausen. Die ersten Grundlagen für den Wirtschaftsraum Bodenseeregion waren geschaffen.

Die Schiffe: Glattdeckdampfer

Es waren Rad-Dampfer. Die rund 20 m langen Schiffskörper waren zunächst aus Holz, später (ab 1850) aus Stahl, die kohle-befeuerten Dampfmaschinen mit etwa 20 PS kamen zunächst aus England. Sie fuhren mit rund 10 km/h, hatten an Deck keine Passagierkabine (Glattdeck) und konnten bis zu 125 Passagiere und 400 bis 500 kg Fracht befördern. Das Angebot war konkurrenzlos, die Nachfrage gewaltig. Für die Menschen am Ufer waren sie eine riesige Attraktion. Der anfängliche Widerstand der alten Schiffergilden, die um ihre Existenz bangten, konnte sich nicht lange halten. Die Lebensdauer der Schiffe war zunächst bescheiden. Sie reichte von 6 Jahren (Max Josef) über 9 J. (Leopold) bis zu 24 Jahren (Wilhelm). Die letzten vier Glattdeck- Dampfer wurden 1884 gebaut. Drei davon überlebten bis 1927. Zur Jahrhundertwendefuhren auf dem See 22 dieser Schiffe. (Zur selben Zeit gab es dort schon 24 Salon- Dampfschiffe der neuen Generation, die ab 1871 vom Stapel liefen.) Gebaut wurden diese Schiffe großenteils bei Escher-Wyss in Zürich, ab 1845 kamen Dampfmaschinen und später auch Schiffe von der Gebr. Sulzer A.G. in Winterthur dazu.

Leistungen

Die neue Dampfschifffahrt war für die Region von Schaffhausen bis Lindau ein gewaltiger Entwicklungsschub. Schon 1835 gab es feste Fahrpläne. Fracht waren Handelswaren wie Holz, Getreide, Vieh, Wein, Obst oder Mineralien, die Passagiere waren Händler und das gehobene Bürgertum der Region. Die Städte am See waren heftig bemüht, Anlegestellen zu werden. Es war deren Anschluss an die neue Welt, lange bevor 1863 die Eisenbahn nach Konstanz kam. Von Bregenz über Konstanz nach Schaffhausen brauchte man 8-9 h, zurück, den Rhein aufwärts etwa 1 h länger. Von Konstanz bis Stein fuhr man stromabwärts nur 75 min., von Konstanz nach Lindau 5-6 h, und das mit biszu 125 Passagieren und bis zu 400 kg Fracht. Das waren in der Region nie zuvor gekannte Reisegeschwindigkeiten und Transportleistungen.

Die Dampfschifffahrtsgesellschaft für den Bodensee und Rhein in Konstanz erwirtschaftete 1832, in ihrem ersten Jahr, einen Überschuss von rund 10‘000 Gulden und zahlte an ihre Aktionäre 4% Dividende. In jenem Jahr beförderte der Dampfer LEOPOLD 18‘726 Passagiere.

DIE ZWEITE SCHIFFSGENERATION: DIE KAISERKLASSE

Mit Erreichen der 1870er Jahre hatten die Schifffahrtsgesellschaften auf dem See so viel Geld verdient und die technische Entwicklung hatte so große Fortschritte gemacht, dass sie nun in größere, schnellere und komfortablere Schiffe investierten. Der Passagiertransport gewann Bedeutung. Es wurden die sogenannten Salondampfschiffe populär, die aber nach damaliger Terminologie vorwiegend Halbsalon-Dampfschiffe waren, gekennzeichnet dadurch, dass die neumodische Passagierkabine, der Salon also, nur mit seiner oberen Hälfte aus dem Schiffrumpf ragte. Das hatte besonders bei starkem Seitenwind Vorteile für die Schiffssicherheit und den Reisekomfort.

Das erste Exemplar dieser neuen Gattung war die 1871, dem Jahr der Deutschen Reichsgründung, in Dienst gestellte KAISER WILHELM. Der Hochadel hatte inzwischen die Bodenseeschifffahrt als nationales Prestige-Thema aufgegriffen, und so waren die Badischen Staatsbahnen an Stelle der alten Konstanzer Firma in die Rolle der Schiffsbetreiber gekommen. Ihr neuer Raddampfer, eben die KAISER WILHELM war prunkvoll und repräsentativ. Seine Majestät, der Kaiser, gaben sich 1871 mehrfach persönlich die Ehre zu Vergnügungsfahrten an Bord zu gehen.

Die "Greif" läuft um 1905 aus dem Konstanzer Hafen aus (Quelle: wikiwand.com; Licence: Public domain, Credit: Karl F. Fritz, Abenteuer Dampfschifffahrt auf dem Bodensee, S. 42) 

Hafen-Konstanz-um-1905-mit-KAISER-WILHELM.jpg

Gebaut hatte das neue Schiff die Fa. Escher-Wyss in Zürich, sein Herz, die zweizylindrige Verbund-Dampfmaschine kam aus Dover in England. Sie war von neuester Technologie und leistete immerhin 600 PS, das Dreißigfache der frühen Schiffe der 1. Generation.

Die KAISER WILHELM war, wie fast alle späteren Schiffe dieser Klasse, ein schlankes Schiff, fast 54 m lang und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 24 km/h. Zwar hatten die Glattdeckdampfer über vier Jahrzehnte hinweg auch ihre Größen und Fahrleistungen immer weiter gesteigert, dies aber war ein Quantensprung. Das Schiff mit 255 to Leergewicht konnte bis zu 73 to Ladung aufnehmen, es war für 600, später bis 850 Passagiere zugelassen. Zu groß, um unter den Rheinbrücken in Konstanz und Stein durchzufahren, konnte es nur auf dem Obersee und Überlinger See verkehren.

 

Bis 1914 wurden 34 dieser großen Salonschiffe in Betrieb genommen. Die größte Länge betrug etwa 70 m, der Schlankheitsgrad (Länge zu Breite) lag bei 8,5 oder darüber, ihre Grundrisse erinnerten auch wegen des typischen langen, spitzen Bugs an riesige Pfeilgeschosse, mit Wülsten für die gewaltigen Schaufelräder an beiden Seiten. Aus ihren Schloten, die bis zu 8 m aus dem Oberdeck heraus ragten, wälzten sich schwarze Qualmwolken über das Wasser. Der Kohleverbrauch dürfte bei Volllast locker bei 1000 kg pro Stunde gelegen haben. Das vorletzte Exemplar dieser Kaiserklasse,die 1913 von Escher-Wyss gebaute HOHENTWIL, war knapp 60 m lang und mit 950 PS motorisiert. Sie war für 700, später für 850 Passagiere zugelassen und bis zu 31 km/h schnell. Damit war dieses Design der Bodensee-Salondampfer mehr als ausgereizt. Die letzten dieser Schiffe verkehrten auf dem See bis in die 50er Jahre. Die HOHENTWIEL fuhr für die Deutsche Bundesbahn bis 1962. Sie liegt heute als Museumsschiff in Hard.

Salondampfer HOHENTWIEL als letzter Zeuge alten Glanzes, 

aufgenommen im Hafen Meersburg (Quelle: wikiwand.com,

Licence: Creative Commons — Attribution 2.5 Generic — CC BY 2.5

Salondampfer-HOHENTWIL-als-letzter-Zeuge-alten-Glanzes.jpg

DIE DRITTE SCHIFFSGENERATION: SCHIFFE MIT DIESELANTRIEB

Im Jahr 1897 meldete Rudolf Diesel den heute nach ihm benannten Kolbenmotor zum Patent an. Das Ziel seiner Erfindung war ein Verbrennungsmotor mit hohem Wirkungsgrad. Während die besten Kolbendampfmaschinen zu der Zeit Wirkungsgrade von etwa 7 % erreichten, wies Diesel bereits 1897 für seinen Motor 24%, also rund das Dreieinhalbfache nach. Kurz nach der Jahrhundertwende kamen die ersten, zunächst noch kleinen und leistungsschwachen Dieselmotoren erstmals auch in Passagier-Motorbooten zum Einsatz, tuckernde und nach Petroleum riechende Vorboten einer neuen Zeit.

Im Weltkrieg 1914-18 spielte die Bodenseeschifffahrt keine wesentliche Rolle. Österreich und Deutschland waren Verbündete, die Schweiz neutraler Staat. Am Bau neuer Schiffe war niemand interessiert, da aller Erfindergeist und alle industrielle Wertschöpfung von der Rüstungsindustrie aufgesaugt wurden. Die Entwicklung des Dieselmotors war vor und während des Kriegs durch die deutsche Kriegsmarine und deren Werftindustrie forciert worden. Er war eine leistungsbestimmende Schlüsselkomponente der neuen, kaiserlichen U-Boot-Flotte. Der Wirkungsgrad der Maschinen hatte sich nochmals verdoppelt und der Treibstoffverbrauch damit halbiert. Doppelte Reichweite entsprach doppeltem Aktionsradius der Boote. Es gab jetzt Dieselmotoren mit bis zu 3000 PS, die pro PS weniger als halb so viel wogen wie eine Dampfmaschine.

Die Vorteile der neuen Antriebstechnik waren enorm. Der höhere Wirkungsgrad wurde zwar zum Teil durch die höheren Preise des neuen Flüssigtreibstoffs Petroleum kompensiert, aber im praktischen Fahrbetrieb ergaben sich so viele, so wichtige Vorteile, dass schon bald eine ganze Reihe zunächst kleinerer, dieselgetriebener Passagierboote auf dem See erschien. Musste ein Dampfschiff, bevor es fahren konnte,erst mal seinen Dampfkessel hoch heizen, ein Vorgang der bis zu 16 Stunden brauchen konnte, so reichte bei den Dieselschiffen ein Knopfdruck für den elektrischen Anlasser. Das Betanken war einfach, das Bunkern und Schaufeln der Kohle durch die Heizer entfiel. Der relativ geringere Reparatur-Aufwand senkte die Betriebskosten und die Zuverlässigkeit der neuen Dieselmotoren war unvergleichlich besser als bei den alten Dampfmaschinen. Die schwarzen Rußwolken über dem See, die Kohlepartikel an Deck und die Kohlelager in den Häfen wurden Geschichte. Mit den Dampfschiffen verschwanden auch die markanten Schaufelräder für deren Antrieb. Der Schiffspropeller setzte sich durch. Nach dem Krieg wurden mit einer Ausnahme keine Dampfschiffe mehr gebaut. In den 20er und 30er Jahren wurden die meisten von ihnen verschrottet. Im Jahr 1965 wurde Die 1929 gebaute STADT ÜBERLINGEN als deren letztes stillgelegt. Ihr Zeitalter war vorbei.

Das erste richtige Dieselschiff mit den Merkmalen der neuen Nachkriegs-Generation bestellte der Motorboot-Betrieb der Stadt Konstanz 1924 bei der Bodanwerft in Kressbronn. Die Werft war 1919 als GmbH & Co. KG gegründet worden und wurde in den folgenden Jahrzehnten zu einer Säule der Entwicklung. Das neue, nur knapp 23 m lange 38 to-Schiffchen ging 1925 mit dem Namen KONSTANZ für den ÖPNV der Stadt in Dienst. Es konnte bis zu 140 Passagiere aufnehmen. Mit dem 140 PS starken Dieselmotor von Commins, England, konnte es bis zu 20 km/h schnell fahren. Im Jahr 1936 ging die KONSTANZ als Geschäftsanteil ihrer Eigner an das in Schaffhausen ansässige Unternehmen URh. Dort ist es bis heute für Sonderfahrten im Einsatz.

Das 1925 gebaute Motorschiff KONSTANZ auf dem Hochrhein als erster Spross einer neuen Generation. (Quelle: de.wikipedia.org, Reto Schlatter, Zürich - Schweizerische Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein (URh) Licence: Creative Commons — Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland — CC BY-SA 3.0 DE 

Konstanz_(1925)_a.jpg

Die bis 1918 vorwiegend feudalen oder privatwirtschaftlichen Besitzverhältnisse in der Bodenseeschifffahrt wurden mit Ausnahme der Schweiz abgelöst durch die staatlichen Bahngesellschaften der Anrainer, die neben den Flotten auch große Teile der Hafenanlagen in ihr Eigentum übernahmen. Als Ersatz für die ausgemusterten Salondampfschiffe gab die Deutsche Reichsbahn zwischen 1926 und 1936 bei der Bodanwerft in Kressbronn sechs verschiedene, mittelgroße Diesel-Motorschiffe in Auftrag. Sie wurden in Konstanz stationiert. Das größte dieser sechs, die ÜBERLINGEN, war 38 m lang, hatte zwei Motoren und 2 Propeller und nahm bis zu 400 Passagiere auf. Mit ihren 480 PS schaffte das 122 to schwere Schiff gut 25 km/h. Sie war von 1926 bis 1969 in Dienst.

Deutlich größer als die ÜBERLINGEN war die 1929 in Lindau in Dienst gestellte ALLGÄU mit ihren 570 to und einer Passagierkapazität von 1500 Personen. Mit drei Decks, einer Länge von gut 60 m und einer Antriebsleistung von 920 PS kam sie auf 28 km/h Geschwindigkeit. Sie zielte mit ihrer großen Kapazität auf steigenden Bedarf imTourismus und war bis 1999 im Einsatz.

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