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Das Design der Hydrofoils
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ZUR KONFIGURATION:

Die Idee, Boote mit Hilfe von Unterwasser-Tragflächen hydrodynamisch aus dem Wasser zu heben, um ihren Fahrwiderstand bei schnellerer Fahrt zu vermindern, ist etwa 100 Jahre alt. Es gibt eine Unmenge unterschiedlicher Konfigurationen, die hierfür gebaut und erprobt wurden. Einige, wie das zivile Boeing Jetfoil B 929 wurden ab 1973 in beachtlicher Stückzahl (ca. 50) produziert und weltweit verkauft. Heute verbinden viele Leute mit dem Begriff Hydrofoil Boote, die sehr schnell fahren und dabei sehr spritzen.

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Es gibt neuerdings zwei Anwendungsbereiche, die das Potential von Hydrofoils neu ausloten und dabei zu erstaunlichen Ergebnissen kommen. Zum Einen sind es Hochleistungs-Segeljachten, die für internationale Regatta-Wettbewerbe gebaut wurden, zum anderen elektrische Motorboote, bei denen die kritische Bord-Stromversorgung nahelegt, sparsam mit Energie umzugehen. In beiden Fällen liegt der Fokus weniger auf Höchstgeschwindigkeit als auf dem mittleren Bereich zwischen 20 und 50 km/h. Spritzwasser wird dabei nach Möglichkeit vermieden, da es ja nur vergeudete Energie bedeutet. Die folgende Darstellung ist der Versuch einer Analyse der mechanischen Grundlagen dieser Technik.

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Symbiose aus E-Antrieb und Hydrofoil: das Candela P-12 Wasser-Taxi (Foto: candela.com)  

wordlesstech.com (internet)                                                           Boeing Jetfoil B 929 (internet)                                                    Candela Seven (Werksfoto)

PRINZIP DES HYDRODYFOIL:

Der Auftrieb entsteht durch das Abwärts-Beschleunigen des anströmenden Umgebungsmediums Wasser mit Hilfe von Flügeln (Foils). Eine Rolle spielen dabei

  • Auftrieb A [N];

  • Mediumsdichte Rho [kg/m3]

  • Flügelspannweite B [m]

  • Flügelfläche F [m²]; Schlankheitsgrad Lambda = B2/F

  • Fahrzeug-Geschwindigkeit VFz [m/sec]

  • Vertikalgeschwindigkeit des Mediums infolge Auftriebserzeugung VV [m/s]

  • Dichte des Mediums (Wasser oder Luft) Rho = Masse/Volumen [kg/m3]

  • Staudruck des strömenden/durchfahrenen Mediums q = ½ Rho x V2

  • vom Flügel erfasster Massenstrom M‘ = F x Vv x Rho [kg/sec].

Es gelten die mechanischen Gesetze

  1. Impulssatz: Auftrieb A = M‘ x Vv als Integral über der Flügelfläche F

  2. Energie-Erhalt: Antriebsleistung L = 1/2 x Vv² x M’ als Integral über der Flügelfläche F

Folgerungen aus 1. und 2. für die Konfiguration

  • Der vom Foil (Flügel) erzeugte Auftrieb A ist das Integral aus Massenstrom mal Ablenkungsgeschwindigkeit des Mediums über der Flügelfläche.

  • Die zur Überwindung des vom Auftrieb induzierten Widerstands benötigte Antriebsleistung L ist ½ mal das Integral aus Masse mal Quadrat der vertikalen Ablenkungsgeschwindigkeit Vv über der Flügelspannweite.

  • Die Antriebsleistung L erreicht ihr Minimum, wenn Vv über der Spannweite konstant ist. Dies entspricht elliptischer Auftriebsverteilung über der Flügel- Spannweite. Sie ist deswegen das wichtigste Ziel der Flügelformgebung.

  • Das Erreichen elliptischer Auftriebsverteilung über der Spannweite als Ideal – fall kann durch das Design des Flügels (z.B. Grundriss, Winglets, Wölbung und Verwindung) angenähert werden.

  • Gerade, schlanke Foils hoher Streckung sind (wie die Flügel von Segelflugzeugen) energetisch besonders effizient. Sie erfordern jedoch i. d. Regel eine Lagestabilisierung, weil es ihnen an Eigenstabilität fehlt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

    Wirbelmodell eines Tragfllügels

Gemäß Theorie der Potentialströmung ist der Auftrieb eines Flügels mit der Bildung von Wirbelbändern in Hufeisenform verbunden, die zusammen entlang des Flugwegs ein Abwindfeld erzeugen.

ZUR AUSLEGUNG

Das Hydrofoil entspricht in vieler Hinsicht dem Flugzeugflügel. Tragflächen werden mit ihrem Fahrzeug durch das umgebende Medium bewegt. Ihre Form und Ausrichtung bewirken, dass der von ihnen erfasste Teil des Mediums nach unten beschleunigt wird, und sie als Reaktion darauf einen Auftrieb erfahren. Es hat sich erwiesen, dass für Flugzeuge entwickelte Flügel-Profile in der Hydrodynamik gleichermaßen wirkungsvoll sind, wenn vergleichbare Strömungsverhältnisse herrschen (Reynoldszahlen).

Zur Berechnung von Auftrieb und Gesamt-Widerstand

Die auf ein Hydrofoil wirkende Strömungskraft wird zur Analyse aufgeteilt in ihre Komponenten Auftrieb A, der senkrecht zur Fahrtrichtung wirkt, und den man erzeugen will, und Widerstand W, der entgegen der Fahrtrichtung wirkt, und den man überwinden muss. Zur besseren Vergleichbarkeit werden für Auftrieb und Widerstand die dimensionslosen „spezifischen Beiwerte“ CA und CW eingeführt. Dies erleichtert das Rechnen und die Vergleichbarkeit von Ergebnissen. Mit F als Fläche des Flügel-Grundrisses sind sie definiert wie folgt: CA = A/(q x F); CW = W/(q x F); Das Verhältnis CA / CW ist die Gleitzahl GFl des Foils oder Flügels. Je größer G ist, desto weniger Energie verbraucht das Foil beim Zurücklegen einer Strecke. Die Gleitzahl G sinkt i.d. Regel mit steigender Fahrgeschwindigkeit.

Foils können für einen Bereich von Fahrgeschwindigkeiten ausgelegt werden. Das geschieht durch Anpassung ihrer Form und Größe. Neben dem Einfluss des Grundrisses, der schon oben betrachtet wurde, ist deren strömungsgerechte Profilierung entscheidend. Sie bewirkt, dass der Flügel in einem größeren Geschwindigkeitsbereich das Wasser effizient, also mit wenig Energieverlust, umlenken kann. Dazu wird der Anstellwinkel Alpha des Foils zur Strömungsrichtung verändert. Wie die obigen Diagramme zeigen, ist bei dem hier gemessenen Profil NACA 2412 und einer Reynoldszahl von 104 bis 105 bei Alpha = 120 ein Auftriebsbeiwert CA von bis zu 1,4 nutzbar. Allerdings ist in diesem Bereich schon eine erhebliche Zunahme des Widerstandsbeiwerts CW zu bemerken. Es empfiehlt sich daher aus Effizienz-Gründen, den maximal möglichen Anstellwinkel-Bereich (CA>1) nicht auszuschöpfen.

Der Gesamtwiderstand eines Hydrofoil-Boots Wges ergibt sich als Summe aus vier unterschiedlichen Anteilen.

  1. Induzierter Widerstand des Foils WiFl= CWi x qW x FFl

  2. Wasserwiderstand des Foils durch Strömungsverluste W0Fl = CW0Fl x qW x FFl

  3. Wasserwiderstand der Foil-Stützen Wst = CWSt x qW x FSt

  4. Luftwiderstand des Bootskörpers WLuft = CWBoot x FQ x qLuft

Die Anteile 3. und 4. können aus Literaturangaben gut abgeschätzt werden.

Für 1. und 2. ist zu beachten, dass sie in gegenseitiger Abhängigkeit stehen. Zwischen CWi und CA besteht bei elliptischer Auftriebsverteilung die Beziehung Cwi = CA2 x F/(Pi x B2). B2/F = Lambda, die Streckung des Flügels, d.h. seine Schlankheit. Wie oben unter „Konfiguration“ dargestellt, sollte sie groß sein, aus praktischen Gründen aber möglichst nicht über die seitliche Begrenzung des Boots hinaus ragen. Hierdurch ist die Spannweite B eingegrenzt.

Um den induzierten Widerstand WiFl des Foils ermitteln zu können, müssen zunächst seine Auslegungsgeschwindigkeit V, die Flügel-Geometrie (Streckung Lambda) und Auftriebsbeiwert CA festgelegt werden. Es gilt die Bedingung: Das Foil muss das Gewicht G des gesamten Boots aus dem Wasser heben können.

Also gilt Auftrieb A >= G = CA x qW x F .

Ein einfaches Zahlenbeispiel hierzu:

Masse des Boots: 20 to; seine Breite B = 6m; Geschwindigkeit V = 10 m/sec. A>= 200000 N = CA x 50000 x F ; CA x F = 4 m²; Wählt man anhand der Diagramme für CA = 1, so wird die Fläche des Foils 4 m2, die Streckung Lambda = B2/F = 6 x 6/4 = 9. Der Beiwert des induzierten Widerstands Cwi = CA2/(Pi x Lambda) = 0,03537.

Der induzierte Widerstand Wi = CWI x qW x F = 0,03537 x 50000 x 4=7074 [N].

Der Wasserwiderstand des Foils durch Strömungsverluste (nach Profilpolare) ist W0Fl = CW0 x qFl x F = 0,015 x 50000 x 4; W0Fl = 3000 [N]

Der Wasserwiderstand der Foil-Stützung durch Strömungsverluste nach Profil- Diagramm ist bei angenommenen FSt = 1,5 [m²] (Profil NACA0024; CW0=0,0066) WST = 0,0066 x 50000 x 1,5; WSt = 500 [N]

Der Luftwiderstand des Boots WLuft mit angenommen 18 m² Querschnittsfläche und Widerstandsbeiwert CWL = 0,5 x 1,20 x 100 x 18; WLuft = 1080 [N].

Der Gesamtwiderstand des Hydrofoil-Boots bei Geschwindigkeit V = 10 [m/sec] ergibt sich dann zu Wges = 7074 + 3000 + 500 + 1080; Wges = 11654 [N] Der durch die Auftriebserzeugung bedingte, induzierte Widerstand beträgt mehr als 60% des Gesamten. Da CWI = CA2/(Pi x Lambda) , wächst dieser dominante Anteil mit dem Quadrat des Gewichts des beladenen Boots. Wie im Flugzeugbau wird damit das Baugewicht ein wichtiger Kostenfaktor.

Die Gleitzahl Gges ist in unserem Rechenbeispiel Gges = 200000 / 11654 = 17,2

Vergleich mit der Wirklichkeit

Anders als bei Flugzeugen bleiben für Wasserfahrzeuge deren Gleitzahlen bisher weitgehend ungenannt. Das gilt auch für Hydrofoils, obwohl deren Betrachtung hier durchaus Sinn macht, da sie die Güte des jeweiligen Entwurfs erkennen lassen. Es gibt mindestens eine Ausnahme: Für das neue Hydrofoil- Boot Candela Seven (siehe Bild Seite 1) hat der Hersteller zahlreiche Video- Clips von Fahrten im Web veröffentlicht. Einige davon zeigen eingeblendet Messwerte von Energieverbrauch und Geschwindigkeit des foilenden Boots. Hieraus lässt sich, allerdings verfälscht durch den unbekannten Wirkungsgrad des Antriebsstrangs, dessen Gleitzahl zurück rechnen, da das Gewicht des Boots in etwa bekannt ist.

Angezeigt werden in den Candela-Clips der momentane Energieverbrauch E‘ in [kWh/Nm] und die Fahrgeschwindigkeit V in (kts). Das Produkt von E‘ x V = Leistung L. Um die Gleitzahl G zu finden, braucht es den Fahrwiderstand Wges und das Gewicht. Der Fahrwiderstand ergibt sich aus Wges = L/V. Folglich ist E‘ = Wges. Die Anzeige in [kWh/Nm] ist also der Fahrwiderstand des Boots in [N], wenn man sie durch 0,5139 m/(sec x kt) teilt. Das Bootsgewicht beträgt leer 1,7 to , incl. Pilot und Ausrüstung wird es hier auf 19 kN (1,9 to) geschätzt.

Die Ergebnisse der Auswertung streuen stark, da es sich nicht um Messfahrten handelt, und z.B. Beschleunigungen bzw. Verzögerungen des Fahrens nicht erfasst werden. Die ermittelten Gleitzahlen G liegen zwischen 12,5 und 6,34.

Nimmt man G = 10 als plausiblen Mittelwert der Messungen und den Gesamt- Wirkungsgrad des Antriebsstrangs (Motor, Getriebe, Propeller) mit Eta = 0,6 , so ergibt sich die Gleitzahl des Hydrofoils von Candela Seven bei etwa 25 kts mit G = 10/0,6 = 16,7 , also sehr nahe am Ergebnis unseres eigenen Rechenbeispiels (17,2). Angesichts des sehr schlanken Foils des Schwedischen Boots (Lambda ca. 12), das anscheinend ohne feste Verwindung auskommt, ist dieser Wert sehr beachtlich und zugleich plausibel.

Schlussfolgerungen

Die Fahrleistungen der neuen Generation von Tragflächen-Booten sind mit den Berechnungsmethoden des Flugzeugentwurfs gut abschätzbar. Wie Berechnung und Messergebnisse zeigen, sind sie im Geschwindigkeitsbereich zwischen 25 und 50 km/h den bekannten Verdränger- und Gleit-Booten an Energie-Effizienz weit überlegen. Nach von Fa. Candela veröffentlichten Zahlen spart deren neues Hydrofoil-Boot 80% der Antriebs-Energie gegenüber herkömmlichen Modellen. Unsere Beispiel-Rechnung macht dies glaubhaft.

Der Gewinn an Energie-Effizienz legt es nahe, elektrische Motorboote zukünftig vorzugsweise als Hydrofoil-Boote zu bauen, denn dadurch lassen sich deren Geschwindigkeits- und Reichweiten-Grenzen erheblich erweitern. Es macht sie erst sinnvoll. Eine Lagestabilisierung solcher Wasserfahrzeuge eröffnet nicht nur große Freiheiten bei der Optimierung ihrer Konfiguration, sie sorgt zugleich für ein Fahren ohne störende Nick- und Roll-Bewegungen bei rauem Fahrwasser, was dem Reisekomfort der Insassen sehr zugute kommt.

Hier nicht erwähnt, aber dennoch von großem Interesse ist die besondere Form des „Kielwassers“ der neuen Hydrofoil-Generation. Spritzwasser entsteht nur dort, wo die Wasseroberfläche penetriert wird, also in kleineren Mengen an den Foil-Stützen, und nicht, wie auf dem Beispiel des Eingangsbildes zu sehen, an den Foils selbst. Der zur Auftriebserzeugung umgelenkte Fahrwasserstrom ist, wie die Analyse zeigt, homogen und nach unten gerichtet. Er erzeugt, wie Video- Aufnahmen von Candela deutlich belegen, nahezu keine Oberflächenwellen. Die oft beklagte Belastung der Ufer-Biotope des Sees durch Wellen von Passagierschiffen und schnellen Motorbooten entfällt damit. Der „Downwash“ beim Fahren bewirkt eine vertikale Durchmischung des Seewassers, deren Wirkung, z.B. auf den O2-Gehalt in den tieferen Wasserschichten, noch zu untersuchen bleibt.

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