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Ökologisch Innovativ

Batterie oder Wasserstoff, Methanol oder doch Ammoniak? Was bringt mir der Elektromotor und wozu dient eine Brennstoffzelle? Viele Fragen über den Antrieb der Zukunft für Schiffe. Hier eine Orientierungshilfe.

Bild: Energy Observer, unabhängig durch selbsterzeugtem Wasserstoff, Null Emission. Quelle: energy-observer.org

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ERNEUERUNG DER BODENSEE SCHIFFFAHRT

Der Verein Heureka Lago setzt sich für eine Erneuerung der Bodensee-Schifffahrt ein, basierend auf regenerativen Energien. Daher werden im Folgenden auch nur diese betrachtet.
Der Antrieb von Schiffen erfolgte bisher über die Verbrennung von fossilen Energieträgern, sei es Gas, Benzin- oder Diesel-Treibstoff. Bei der Verwendung regenerativer Energien wird Strom aus Energien gebildet, die die Umwelt uns bietet und in einem Elektromotor genutzt. Die Hauptfrage lautet also: „Wie kann man Strom effizient erzeugen, speichern und nutzen“.
Nachfolgend ein Überblick über regenerativen Energien, mögliche Energiespeicher und die notwendige Infrastruktur. Dabei werden nur CO2-freie oder CO2-neutrale Technologien betrachtet.

ELEKTROMOTOREN

Die Wahl des Elektromotors hängt von der Größe des Schiffes und dessen Anforderungen ab. Dabei gilt: Je größer das Schiff, desto individueller der Motor. Daher wird im Folgenden nur auf kleiner Motoren (bis ca. 20 kW) eingegangen.

Vergleicht man prinzipiell die Drehmomentkennlinien von Elektromotor und Benzinmotor (siehe Bild), so erkennt man, dass der Verbrennungsmotor eine auffällige Spitze aufweist, an der das maximale Drehmoment erreicht wird.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beispiel Drehmoment-Leistung-Kennlinie von Elektro- und Verbrennermotoren 

Dieses Drehmoment ist damit auch nur in einem kleinen Drehzahlbereich verfügbar. Bei einem elektrischen Motor ist diese Kennlinie flach, d.h. das maximale Drehmoment ist über einen weiten Drehzahlbereich verfügbar.

Durch die überlegene Drehmomentkennlinie eines Elektromotors gegenüber einem Benzinmotor können hier große 2- und 3- Blatt Propeller bei niedrigen Wellendrehzahlen und damit niedriger Leistung verwendet werden. Aufgrund dieses Prinzips wird schon bei kleinen Antrieben eine sehr hohe Schubkraft entwickelt. Die Propellereffizienz kann in den niedrigen PS-Klassen um den Faktor 3 zwischen Benzin- und Elektro-Außenbordern abweichen.

 

Damit kann man in dem betrachteten kW-Bereich in etwa sagen, dass der Elektromotor etwa 2 – 3 mal so effizient wie ein Verbrennungsmotor ist. Dadurch ist z.B. ein 2 kW Elektromotor vergleichbar mit einem 5 kW Verbrennermotor.

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Der Elektromotor ist zwar momentan in der Anschaffung noch teurer als ein vergleichbarer Verbrennermotor, über die Jahre amortisiert sich das aber durch die geringeren Wartungskosten. Die Vorteile gegenüber einem Verbrennermotor sind:

  • Kein TÜV, keine Abnahme

  • Wartungsfrei, kein Ölwechsel

  • Kein Rumhantieren mit Brennstoffen, kein Gang an die Tankstelle

  • Batterie einfach an der Steckdose aufladen

  • Der Motor spricht sofort an

  • Kein Gestank, kein Lärm

  • Sehr hoher Wirkungsgrad

  • Über den Drehzahlbereich konstantes Drehmoment

  • Keine Umweltverschmutzung

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Ein Vergleich des Gesamtwirkungsgrads von Aussenbordern (Foto: torqueedo) 

REGENERATIVE STROMERZEUGUNG

Der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien betrug im Jahr 2020 50,5 % der Netto Stromerzeugung in Deutschland (Fraunhofer ISE, 1/2021). Prinzipiell stehen hierzu nur die drei Elemente Sonne, Wind und Wasser zur Verfügung.

Sonnenuntergang auf Solarmodulen

Photovoltaik-Anlagen erzeugen direkten Strom über die Sonneneinstrahlung. Daher ist die Erzeugung auch nicht regelbar. Der Strom muss entweder gleich verteilt und genutzt oder für spätere Verwendung gespeichert werden. Der Anteil der Photovoltaik an der Netto Stromerzeugung 2020 in Deutschland betrug 19,8%.

Wasserfälle im Wald

Erzeugung von Strom über Wasserkraftwerke ist eine etablierte Technologie. Der Strom ist regelbar und benötigt daher keine zusätzlichen Speicher. Der Anteil von Wasserkraft an der Netto Stromerzeugung 2020 in Deutschland betrug allerdings nur 3,7%.

Der Anteil der Windkraft an der Nettostromerzeugung 2020 in Deutschland betrug 27% und ist damit die wichtigste Quelle von regenerativem Strom. Da auch Wind nicht regelbar ist, muss auch hier eine sofortige Verteilung und Nutzung oder eine Speicherung erfolgen.

Windmühlen

STROMSPEICHER

Wenn regenerativ erzeugter Strom nicht direkt verbraucht werden kann, muss er gespeichert werden. Hierbei unterscheidet man direkte Stromspeicher, in denen der Strom direkt gespeichert und auch wiedergewonnen werden kann (Batterie). Bei der indirekten Speicherung wird Wasserstoff (H2) als Energieträger erzeugt und mit anderen Kohlenstoffverbindungen (CxOx) zu einem neuen Produkt synthetisiert. Diese Produkte können dann einfach transportiert und gelagert werden. Generell kann gesagt werden, dass die direkte Stromspeicherung die effektivste Speicherung darstellt. Batterien haben einen Wirkungsgrad in der Größenordnung von 95 %. Indirekte Speichertechnologien können diesen Wert nicht erreichen, da durch die Umwandlungsprozesse Verluste entstehen.

Direkte Stromspeicher

Bei der direkten Speicherung wird der Strom in chemische Energie in einer Batterie umgewandelt und kann durch Rückwandlung wiedergewonnen werden. Bei der indirekten Speicherung wird der Strom zur Synthese einer Trägersubstanz genutzt, die transportiert und gespeichert werden kann. In einem nachfolgenden Prozess kann aus der Trägersubstanz wieder Strom gewonnen werden.

Batterien

Sie stellen die älteste Form der Stromspeicher dar. Lange Zeit wurden Batterien auf Blei-Basis verwendet, wobei die AGM- Batterie (Absorbent Glass Mat) die modernste Variante darstellt. AGM-Batterien sind kenter- und auslaufsicher und waren daher besonders für Boote geeignet. Der Lithium-Ionen-Akku ist ein Überbegriff für die Vielzahl der Batterietypen auf Lithiumbasis. Der Li-Ionen-Akku mit der höchsten Energiedichte basiert auf der Verwendung von Nickel, Mangan und Kobalt und wird daher auch als NMC-Akku bezeichnet. Er hat allerdings das Problem der Überhitzung und damit Explosion bei falscher Handhabung. Batterie-Management-Systeme werden hier eingesetzt, um dieses zu verhindern. Ein weiteres Problem ist, dass 50% des Kobalts aus dem politisch instabilen Kongo kommt und unter Menschen unwürdigen Bedingungen abgebaut wird.

Inzwischen hat sich der Lithium-Eisen-Phosphat-Akku (LFP) als wichtigster Akku durchgesetzt. Er hat gegenüber dem herkömmlichen NMC-Akku eine geringere Energiedichte, neigt aber – auch bei mechanischer Beschädigung – nicht zu thermischem Durchgehen. Weiterhin sind Eisen und Phosphat in ausreichender Menge vorhanden. Im Versuchsstadium befinden sich SALD-Akkus (Spatial Atomic Layer Deposition), die eine dreimal höhere Energiedichte aufweisen sollen als LFP-Akkus und fünfmal schneller geladen werden können. Kommerzielle Verfügbarkeit ist frühestens 2023/24. Es wird sehr intensiv an dem Recycling von Batterien gearbeitet. Z.B. plant VW ein eigenes Werk, um ihr Batterien zu 98% zu recyclen.

Feststoff-Batterien

Feststoff-Batterien sind sicherer als die aktuellen Lithium-Ionen-Batterietechnologien. Die Gefahr der Überhitzung ist nicht gegeben. Weiterhin besitzt sie eine wesentlich höhere Energiedichte als LI-Ionen Batterien. Ein großer Nachteil der Festkörperbatterie ist aber bislang die geringe Stromstärke, mit der sie be- oder entladen werden kann. Diese Schwachpunkte sind Gegenstand umfangreicher Forschungen auf der ganzen Welt.

Redox-Flow Batterien

Sie stellen eine besondere Form einer Batterie dar, die aus einer Zelle und zwei Elektrolyten besteht, die räumlich voneinander unabhängig sind.

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Damit kann der Energiespeicher (zwei Elektrolyt-Tanks) und Wandler (Zelle) der Anwendung angepasst werden: Bei hoher Leistung wird eine große Zelle benötigt, bei hoher Energie große Elektrolyttanks. Laden und Entladen sind reversibel. Aufgeladen wird der Elektrolyt über den Strom einer regenerativen Stromquelle. Zur Herstellung werden keine seltenen Rohstoffe benötigt. Wegen der geringen Energiedichte sind Redox-Flow-Batterien für mobile Anwendungen wenig geeignet, bieten sich aber als Massenspeicher an, um z.B. in großen Containern am Hafen Energie für Schiffe zur Verfügung zu stellen.

Indirekte Stromspeicher

Wasserstoff

Der Umgang mit Wasserstoff (H2) ist bestens bekannt; er wird seit Jahrzehnten in der chemischen Industrie und für Raketenantriebe verwendet. H2 ist ein flüchtiges Gas und muss in Tanks gespeichert werden. Dies geschieht vorwiegend bei hohen Drücken (700 bar) oder in flüssiger Form (20 K). Mit einer Brennstoffzelle kann aus H2 Strom erzeugt werden. In Verbindung mit Kohlenwasserstoffen können für einfacheren Transport und Lagerung andere Energieträger synthetisiert werden (s.u.).

Flüssigkeitstropfen

Nachfolgend eine kleine Farbenlehre des Wasserstoffs:

 

Grüner Wasserstoff: Er wird mittels Elektrolyse durch Spalten des Wassers (H2O) in seine Teile Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O) erzeugt und stellt damit die nachhaltigste Form dar.

 

Grauer Wasserstoff: Wird aus Erdgas oder Erdöl hergestellt. Bei der Herstellung entsteht das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2). Diese Form von H2 ist nicht nachhaltig und sollte verboten werden.

 

Blauer Wasserstoff: Hier wird bei der Produktion von grauem Wasserstoff das frei werdende Kohlendioxid abgeschieden und zur weiteren Verwendung gelagert, z.B. in unterirdischen Felsformationen.

 

Türkiser Wasserstoff: Auch er wird aus Erdgas gewonnen, wobei jedoch mit der Methanpyrolyse kein gasförmiges CO2 entsteht, sondern der feste Kohlenstoff „Carbon Black“. Dieses Material kann deponiert oder in der Industrie weiterverwendet werden.

 

Gelber oder violetter Wasserstoff: Hier wird der Wasserstoff mit Hilfe des Stroms von Atomkraftwerken gewonnen.

 

Weißer Wasserstoff: Der Wasserstoff ist hier ein Abfallprodukt chemischer Verfahren.

 

Grüner Wasserstoff ist die einzige umweltfreundliche Form von H2. Bei der Herstellung und der Verwendung entstehen keine schädlichen Produkte. Mit einer Brennstoffzelle kann das Gas wieder in Energie umgewandelt werden; das Abfallprodukt ist Wasser. Ein idealer umweltschonender Prozess!

 

Gegen Wasserstoff wird mitunter eingewendet, dass die Energie-Effizienz seiner Gewinnung und Verbrennung unbefriedigend sei. Wie weiter oben dargelegt, gibt es bei Sonne und Wind als Energiequellen die Notwendigkeit, elektrische Energie zu speichern, die man nicht sofort verwenden kann. Wasserstoff bietet sich dafür an, denn die Alternative wäre ja, den Strom gar nicht zu nutzen.

 

Vergleicht man Wasserstoff mit Diesel, so kann man grob definieren: Für den gleichen Brennwert von 1 ltr Diesel benötigt man 3,7 ltr flüssigen Wasserstoff. Für den gleichen Brennwert von 1 kg Diesel benötigt man 0,32 kg flüssigen Wasserstoff.

Methan

Methan (CH4) wird aus H2 und CO2 über den Sabatier-Prozess erzeugt. Abfallprodukt ist Wasser. Methan kann zu einem bestimmten Prozentsatz dem Gasnetz zugeführt werden, da Erdgas zu > 87% aus Methan besteht. Man kann also z.B. die im Norden Deutschlands mit Windkraft gewonnene Energie mittels CH4 ins Gasnetz einbringen und im Süden Deutschlands wieder extrahieren und nutzen. Nachteil hier: Bei der Extraktion der Energie entsteht CO2; die Speicherung mit Methan ist damit nicht CO2-frei sondern nur CO2-neutral.

Methanol

Methanol (Ch3OH) entsteht ebenfalls aus der Synthese von H2 und CO2. Es ist flüssig und hat etwa 50% der Speicherdichte von Diesel. Methanol kann in Verbrennungsmotoren verwendet werden, aber auch in Brennstoffzellen zur Stromerzeugung. Großer Vorteil: Es kann drucklos gespeichert und transportiert werden. Weiterhin wäre die Infrastruktur (Tankstellennetz) der fossilen Energieträger mit geringen Modifikationen nutzbar. Nachteil auch hier: Bei der Extraktion der Energie entsteht CO2. Wird dieses nicht weiterverwendet, ist die Nutzung von Methanol nur CO2- neutral.

LOHC

Bei dem Liquid-Organic-Hydrogen-Carrier-Verfahren (LOHC) wird der erzeugt Wasserstoff an flüssige biologische Trägersubstanzen angekoppelt. Diese Flüssigkeit kann drucklos gespeichert und transportiert werden. Der Prozess ist reversibel mit einem geringen Verlust der Trägersubstanz bei jedem Umfüllen; es entstehen keine umweltschädlichen Nebenprodukte. Nach der Rückgewinnung des Wasserstoffs kann über Brennstoffzellen Strom erzeugt werden. In einem Kubikmeter LOHC können 57 kg Wasserstoff gespeichert werden. Da bei der Wiedergewinnung des Wasserstoffs Energie benötigt wird ergibt sich eine Energiedichte, die grob ein Zehntel von Diesel beträgt.

Synfuel

Aus erneuerbarem Strom wird über die Elektrolyse Wasserstoff erzeugt. In der Fischer-Tropsch-Synthese wird dann unter Verwendung von CO2 synthetisches Rohöl erzeugt. Nach anschließender Aufbereitung entsteht daraus Benzin, Kerosin oder Dieselkraftstoff. Synfuel kann ohne Modifikation in Verbrennungsmotoren verwendet werden und wird daher als Retter der Verbrenner angesehen. Nachteil auch hier: Bei der Extraktion der Energie entsteht CO2 und da- mit ist die Verwendung nicht CO2-frei sondern nur CO2-neutral. Allerdings auch nur unter der Bedingung, dass das CO2 entweder aus der Umgebungsluft oder aus nachhaltiger Biomasse gewonnen wurde. Mit der Verfügbarkeit von Synfuel in großen Mengen rechnet man nicht vor 2030, da großtechnische Anlagen erst gebaut und getestet werden müssen. Die Milliarden, die noch in die Entwicklung gesteckt werden müssen, sollten besser in die Weiterentwicklung CO2-freier Technologien gesteckt werden.

Ammoniak

Ammoniak (NH3) besteht aus einer Wasserstoff- Stickstoff-Verbindung und ist ein klimaneutraler Kraftstoff. Er wird mit dem Haber-Bosch-Verfahren erzeugt. Als Energieträger von H2 kann es über Pipelines und Schiffen zu den großen Verbrauchszentren transportiert werden. Ammoniak kann ebenso als Kohlenstoff-freier Brennstoff u. a. in Verbrennungsmotoren oder in Brennstoffzellen zum Einsatz kommen. Ein Einsatz von Ammoniak am Bodensee ist sehr unwahrscheinlich, da es für Fische schon in geringen Mengen giftig ist. Für die Übersee-Schifffahrt scheint diese Technologie allerdings sehr interessant, solange die Meeresbiologen und die Fischerei-Industrie keine Einwände erheben.

BRENNSTOFFZELLEN

Brennstoffzellen wandeln Gase oder Flüssigkeiten in elektrischen Strom und bieten damit eine Energiequelle, die je nach Energieträger CO2-frei oder CO2-neutral ist. Die Technik der Umwandlung existiert schon Jahrzehnte, z.B. bei der Stromversorgung von U-Booten.

Bedingt durch die steigende Nachfrage nach regenerativen Energien in der E- Mobilität haben die Brennstoffzellen in den letzten Jahren Einzug in den Consumer-Bereich erfahren. So wird das PKW-Modell Mirai von Toyota mit einer CO2-freien H2-Brennstoffzelle betrieben; das Forschungsboot SOLGENIA der HTWG-Konstanz fuhr schon ab 2007 mit H2 und zugehöriger Brennstoffzelle. Aus Kostengründen wurde es 2018 von dem CO2-freien Betrieb mit Wasserstoff auf den CO2-neutralen Betrieb mit Methanol umgestellt.

 

Auf dem Passagierschiff MS-Innogy, das auf dem Baldeney-See bei Essen fährt, kommen ebenfalls Methanol-Brennstoffzellen zum Einsatz.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Methanol-Brennstoffzelle H3-500 (Quelle: serenergy.com) 

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